Aus dem Netzwerk SeDiPeT Secure Digital Performance Twin heraus entstand im November 2019 die Idee ein neuartiges System zu entwickeln, um durch Zustandsüberwachung die Maschinenstillstände einer Produktion zu reduzieren. In mehreren durch das Cluster Mobility & Logistics (ehem. IT-Logistikcluster) initiierten Meetings wurde der Themenfokus weiter abgesteckt und ein Konsortium aus zwei Unternehmen, Schindler & Schill GmbH und SYSTEMA GmbH, sowie zwei Forschungseinrichtungen, TH Deggendorf und TU München, gebildet.
Im Juni 2020 war es soweit, die erste Projektskizze konnte beim Förderträger des ZIM-Programms eingereicht werden und erhielt direkt positives Feedback. Nach dieser positiven Nachricht machte sich das Konsortium mithilfe des Netzwerkmanagers daran, den gesamten Antrag zu erstellen. Das Konsortium schaffte es durch sehr gute Kooperation den Antrag noch im November 2020 fertigzustellen. Mit dem Projekt SI-CM3S Secure Industrial Condition Monitoring mit hoher Funktionssicherheit setzten die Projektpartner auf die Ergebnisse ihres Vorgängerprojekts I2P-MobiCM im Bereich der Netzanalyse und Datenaufzeichnung und komplementierten die Ergebnisse um für den breiten industriellen Einsatz notwendige Aspekte, wie Datenschutz, Datensicherheit, Einhaltung Arbeitsrechts und Vermeidung von Industriespionage. Es soll eine sichere und praxistaugliche Condition-Monitoring-Systemarchitektur entwickelt werden, welche eine hohe Funktions- und Datensicherheit aufweist. Nach Erfüllung verschiedener Nachforderungen, wurde der Antrag schließlich im September 2021 bewilligt. Durch die Initiierung solcher Projekte schafft es das Cluster Mobility & Logistics das Innovationsfeld Logistik nachhaltig zu gestalten.
Die Datenbasis
Die Firma SYSTEMA hat in enger Zusammenarbeit mit der Technischen Universität München ein wegweisendes Verfahren zur Überwachung und Optimierung von hochautomatisierten Halbleiterproduktionsprozessen realisiert. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit wurde eine Lösung entwickelt, die mithilfe von fortschrittlicher Datenanalyse und Künstlicher Intelligenz (KI) die Effizienz und Qualität von Produktionsanlagen in Echtzeit überwacht und verbessert.
Intelligente Datenanalyse auf Edge-Geräten
Das Projekt stützt sich auf umfangreiche Datenquellen aus EQS- und EQC-Logfiles (Equipment Status; Equipment Configuration). Diese Daten werden unter Verwendung des SECS/GEM-Protokolls erfasst und standardisiert, um eine reibungslose Kommunikation zwischen den Maschinen und den Kontrollsystemen sicherzustellen. Der neuartige Cloud-Etch-Ansatz ermöglicht die Datenanalyse, wobei sensible Daten auf den Edge-Geräten verbleiben und nicht auf Cloud-Server gelangen. So wurde eine effiziente und echtzeitfähige Überwachung erreicht.
Ein bedeutender Fortschritt wurde durch den Einsatz von Federated Learning erzielt. Die dabei eingesetzten KI-Modelle werden kontinuierlich aktualisiert und optimiert, um neue Produktionsmuster zu erkennen. Durch hybride Trainingsszenarien und eine Active-Learning-Schleife für die automatische Annotation der Anlagendaten konnte die Qualität der Modelle kontinuierlich gesteigert werden. Auch eine Echtzeit-Modellregistratur wurde entwickelt, um sicherzustellen, dass neueste Modelle stets einsatzbereit sind.
Seitens der THD wurde ein weiterer Aspekt der Datenalayse auf Edge-Geräten bearbeitet. Hier wurden Ansätze erarbeitet, um trainierte Machine Learning Modelle näher an der Datenquelle (on the edge) ausführen zu können. Dies erfolgte im Kontext Software Defined Radio (SDR). Bei diesem Ansatz können Signale aktiv erzeugt werden, in ein System gesendet und wieder empfangen werden. Dies geschieht mit sehr hohen Sample- und somit Datenraten. Typischerweise werden die erhobenen Daten offline analysiert. In dem neuen Ansatz wurde eine Pipeline zur Konvertierung von Machine Learning Modellen aufgebaut, um diese direkt auf dem SDR – genauer auf dem internen Field Programmable Gate Array (FGPA) des SDR – ausführen zu können. Somit können die Rohdaten direkt mit einem ML Modell bewertet werden, ohne die Daten für eine Präprozessierung zwischenspeichern zu müssen. Dies reduziert Datenraten und steigert die Systemeffizienz erheblich.
Simulation und Anomalieerkennung
Um auf unterschiedliche Produktionsszenarien vorbereitet zu sein, wurden neben realen Anlagendaten auch Simulationen von Fertigungsprozessen durchgeführt. Ein speziell entwickeltes Tool namens Kalasim ermöglichte es, komplexe Fertigungsszenarien nachzubilden und bestimmte Ereignisse in der Fabrik durchzuspielen. Durch diese Kombination aus realen Daten und Simulationen konnten SYSTEMA und die TU München eine zuverlässige Software zur automatisierten Anomalieerkennung entwickeln. Diese sorgt in Echtzeit für eine Erkennung von Maschinenfehlern und verhindert somit Produktionsausfälle.
Echtzeit-Streaming-Tools und benutzerfreundliche Darstellung
In umfassenden Tests wurden verschiedene Algorithmen und Tools untersucht, wobei sich Streaming-Tools (Kafka Streams, Apache Flink) als die beste Lösung für die Echtzeitverarbeitung herausstellten. Die Qualität der Ergebnisse wurde anhand von Metriken wie Accuracy, Precision und Recall gründlich geprüft. Ergänzt wurde das System durch eine Formel zur Abschätzung der benötigten Rechenzeit, um auch in zeitkritischen Anwendungen effizient arbeiten zu können.
Eine interaktive, benutzerfreundliche Oberfläche ermöglicht es den Nutzern, die Ergebnisse übersichtlich und verständlich zu visualisieren. Somit wird eine schnelle und fundierte Entscheidungsfindung unterstützt.
Positive Resonanz und Marktperspektiven
Das entstehende innovative Überwachungssystem von SYSTEMA hat bereits großes Interesse bei anderen Unternehmen geweckt. Die positiven Ergebnisse und die marktgerechte Ausgestaltung der Lösung bieten exzellente Voraussetzungen für eine schnelle Vermarktung nach dem Projektende und schaffen ein vielversprechendes Fundament für zukünftige Entwicklungen in der Halbleiterindustrie.
Dank des visionären Ansatzes und der engen Zusammenarbeit zwischen SYSTEMA und der TU München konnte eine Lösung geschaffen werden, die den höchsten Ansprüchen gerecht wird und den Weg für weitere Innovationen in der automatisierten Halbleiterproduktion ebnet.